Willkommen! "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin)

von Hans Immanuel Herbers


Dienstag, 22. Oktober 2013

Von Regionalräten, Ruhrparlament und Landschaftsversammlungen - eher ein FAQ


Bei der Kommunalwahl im Mai 2014 entscheidet sich auch die Zusammensetzung von Gremien, an die bei uns Piraten noch kaum wer denkt. Wichtig sind sie aber! Ich meine damit die Mittelebenen zwischen Kreisen / kreisfreien Städten und dem Land NRW.

Wichtig sind da landesweit vor allem drei:
  • Die Regionalräte
  • Das Ruhrparlament
  • Die Landschaftsversammlungen
Ich möchte hier nur knapp skizzieren, wie die jeweils besetzt werden - denn da gibt es Dinge zu beachten wenn wir die Kommunalwahlen vorbereiten. Besonders beim Landesvorstand!

Und ja - ich weiß: Auch dies ist eher eine FAQ als ein klassischer Blogpost


A. Die Regionalräte


1. Welcher Bereich?


Einen Regionalrat gibt es für jeden Regierungsbezirk in NRW. Die entscheiden Dinge auf der Bezirksebene - wählen aber nicht die Regierungspräsidenten, das tut die Landesregierung (derzeit gibt es Regierungspräsidenten von CDU, SPD, Grünen, FDP).

Wichtig ist: Die Städte und Kreise, die dem Regionalverband Ruhr (RVR)   angehören, sind im Regionalrat ihres Regierungsbezirkes nicht vertreten.

2. Zuständig für ....


Vor allem beschließt der Regionalrat den Regionalplan. Weiter berät er die meisten Fragen der Arbeit des Regierungsbezirkes. Wichtig ist er für uns vor allem um Informationen zu bekommen.

3. Wer kommt da rein?


Ehrlich: Das System, wie der Regionalrat besetzt wird, ist das merkwürdigste überhaupt in NRW (hier im Landesplanungsgesetz steht es für Hartgesottene  - ein Musterbeispiel völlig verdrehter Rechtssprache)!

3.1 Wieviel Mitglieder hat denn der Regionalrat?


Das wechselt! Je Kreis und kreisfreier Stadt werden für je angefangene 200.000 Einwohner 1 Mitglied gewählt. Auf die Art kommt eine Zahl zusammen, die ist logischerweise in jedem Regierungsbezirk anders. Dann wird nochmal die Hälfte dieser Zahl hinzugefügt. Summe ist dann die Mitgliederzahl des Regionalrates.

3.2 Und wie kommt man nun da rein?


Zuerst werden 2/3 der Sitze indirekt gewählt: Jeder Kreistag im Regierungsbezirk (außer RVR-Gebiet) und jeder Rat einer kreisfreien Stadt (außer RVR-Gebiet) wählt nach Verhältniswahl seine Vertreter. Jeder Kreis/kreisfreie Stadt wählt für je angefangene 200.000 Einwohner 1 Mitglied. Das sind fast nur SPD und CDU - Vertreter.

Und dann wird festgestellt: Wieviel Sitze stehen jeder Partei / Wählervereinigung im Regionalrat zu gemessen an ihrem Ergebnis bei den Gemeindewahlen. Gemeindewahl heißt die Räte der Städte und Gemeinden, nicht die Kreistage!

Von dieser Zahl werden die Parteivertreter abgezogen, die über die Kreistage/kreisfreien Städte schon gewählt sind. Die restlichen Sitze werden dann so vergeben, dass der Regionalrat insgesamt dem Ergebnis der Gemeindewahlen im Gebiet entspricht.


3.3 Zu kompliziert! Hast du ein Beispiel?


Klar - nehmen wir den Regierungsbezirk Arnsberg. Weil Dortmund oder Hagen dem RVR angehören vertritt der Regionalrat hier nur den Hochsauerlandkreis, den Märkischen Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest. 10 Mitglieder wurden von den Kreistagen gewählt. Darum gibt es 5 weitere Mitglieder. Auf die Art ist auch jeweils 1 Vertreter der FDP, der Grünen und der Freien Wähler da drin.

Oder der Regierungsbezirk Detmold: Da gibt es keine RVR-Mitglieder. Also vertritt der Regionalrat alle Kreise in OWL (Ostwestfalen / Lippe) und die Stadt Bielefeld. Es wurden 13 Mitglieder in den Kreistagen und im Bielefelder Rat gewählt, 7 kamen hinzu. So sind neben CDU und SPD auch Grüne und FDP als Fraktion mit je 2 Mitgliedern vertreten und die Freien Wähler haben 1 Sitz.


3.4 Wer wählt denn dann die Piratenvertreter - wenn es welche gibt?


Der Landesvorstand muss bis 10 Wochen nach der Kommunalwahl bei jedem Regierungsbezirk eine Reserveliste einreichen. Die Vertreter auf dieser Liste müssen im Regierungsbezirk (ohne RVR) ihren Erstwohnsitz haben. Fallen Leute später aus kann die Liste im Laufe der Amtszeit ergänzt werden.

Unsere Satzungen sehen hier nichts vor. Gesetzlich ist der Landesvorstand frei darin, wen er benennt. Da Satzungen aber gleichartige Fälle analog zu bestehenden Regelungen anwenden und da nur das unseren Grundsätzen entspricht halte ich nur ein Verfahren für möglich:

Für jeden Regierungsbezirk (ohne RVR) wird eine Regionalversammlung einberufen, die wählt dann die Reserveliste und der Landesvorstand leitet die weiter. Das kann in OWL die regelmässige OWL-MV sein. Klüger wäre es aber meiner Ansicht nach, bei einem Landesparteitag in getrennten Räumen für jeden Bezirk zu wählen (zum Termin siehe aber unbedingt unten zum Ruhrparlament!!). Wie auch immer - zuständig ist der Landesvorstand.


B. Das Ruhrparlament


1. Welcher Bereich?


Alle kreisfreien Städte des Ruhrgebiets (Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim, Oberhausen) und die Kreise Ennepe-Ruhr, Recklinghausen, Unna, Wesel.
Oder hier auf einer adretten kleinen Landkarte.

2. Zuständig für....


Ich klau mal bei Wikipedia:
"Der RVR ist für das Marketing des Ruhrgebiets sowie Umwelt- und Freizeitförderung, wie der Emscher Landschaftspark oder die Route der Industriekultur, zuständig. Außerdem entwickelt er sogenannte Masterpläne für die Raumordnung und erfasst kartografische Daten. Ab Oktober 2009 übernimmt er die staatliche Regionalplanung für das Ruhrgebiet. Größte RVR-Tochtergesellschaft ist die AGR Unternehmensgruppe. Eine weitere Tochtergesellschaft ist die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH."

3. Wer kommt da rein?


Das Ruhrparlament hat derzeit 71 Mitglieder. Die werden - vereinfacht dargestellt - so gewählt:

Zuerst wählen die Räte der kreisfreien Städte und die Kreistage je 80.000 Einwohner ein Mitglied. Das passiert in Verhältniswahl. Dann wird berechnet, ob die so gewählten Mitglieder dem Wahlergebnis bei der Kommunalwahl (Wahl der Räte der kreisfreien Städte und der Kreistage) im Gebiet des Regionalverbandes entspricht. Das ist wahrscheinlich nie der Fall. Darum gibt es Reservelisten. Aus denen werden weitere Mitglieder bestimmt, bis die Zusammensetzung passt.

(Wer es genau nachlesen will quäle sich durch § 10 des Gesetzes über den Regionalverband Ruhr.)

4 Wer wählt denn dann die Piratenvertreter - wenn es welche gibt?


Der Landesvorstand muss zum 22. Tag nach der Kommunalwahl beim Geschäftsführer des RVR eine Reserveliste einreichen. Die Vertreter auf dieser Liste müssen in jedem Fall bei der Kommunalwahl auf einer Liste für den jeweiligen Rat der kreisfreien Stadt oder Kreistag gestanden haben. Nochmal deutlich: Wer nicht auf der Liste für Stadtrat (kreisfrei) oder Kreistag stand kann nicht ins Ruhrparlament. Er muss aber nicht gewählt sein, unterer Listenplatz reicht.

Das Gesetz über den Regionalverband Ruhr sagt klar: "Als Bewerberin oder Bewerber kann in einer Reserveliste nur benannt werden, wer in einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung der Partei oder Wählergruppe des Wahlgebietes hierzu gewählt worden ist." (§ 10 (5) letzter Satz)

Es muss also vom Landesvorstand eine Mitgliederversammlung für das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr einberufen werden. Und zwar so, dass der Landesvorstand die dort gewählte Reserveliste bis zum 22. Tag nach der Kommunalwahl einreichen kann! Auch das könnte bei einem Landesparteitag passieren, bei dem zeitgleich die Regionalratslisten gewählt würden (s.o.).


C. Landschaftsversammlung Rheinland / Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe



1. Welcher Bereich?


Ganz einfach - es gibt zwei davon: für das Rheinland (frühere preußische Provinz Rheinland) einerseits, andererseits für Westfalen (frühere preußische Provinz Westfalen) und Lippe.


2. Zuständig für....


Die Landschaftsverbände haben wichtige Aufgaben in der überörtlichen Sozial-, Behinderten- und Jugendhilfe (z. B. Landesjugendamt), tragen Einrichtungen wie etwa Fachkrankenhäuser, psychiatrische Landeskrankenhäuser, Förderschulen für Behinderte. Sie sind verantwortlich für die Kultur- und Denkmalpflege und im Rahmen der psychiatrischen Landeskrankenhäuser auch im Bereich des Justizvollzuges.

Für den ersten Überblick erklärt Wikipedia das ganz gut.

3. Wer kommt da rein?


Natürlich ist auch dies Verfahren wieder kompliziert und wer mag kann es im Gesetz (Landschaftsverbandsordnung) selber nachlesen.

Die Landschaftsversammlung Rheinland hat derzeit 128 Mitglieder, die für Westfalen-Lippe 106. Sie werden im ersten Schritt von den Kreistagen und Räten der kreisfreien Städte gewählt.

Dann kommt es zu einem Verhältnisausgleich: Über Reservelisten werden weitere Mitglieder benannt so dass am Ende die Versammlung so nach Parteien besetzt ist, wie die Kommunalwahl (hier: Kreistagswahl und Wahl der Räte der kreisfreien Städte) im Verbandsgebiet ausging.

4 Wer wählt denn dann die Piratenvertreter?


Der Landesvorstand muss zum 22. Tag nach der Kommunalwahl je eine Reserveliste einreichen. Darauf kann nur stehen, wer bei der Kommunalwahl auf der Reserveliste für seinen Kreistag oder Rat der kreisfreien Stadt gestanden hat. Nochmal deutlich: Wer nicht auf der Liste für Stadtrat (kreisfrei) oder Kreistag stand kann nicht auf die Reserveliste für die Landschaftsversammlung. Er muss aber nicht gewählt sein, unterer Listenplatz reicht.

Es muss also vom Landesvorstand eine Mitgliederversammlung für das Rheinland und eine für Westfalen-Lippe einberufen werden. Und zwar so, dass der Landesvorstand die dort gewählte Reserveliste bis zum 22. Tag nach der Kommunalwahl einreichen kann! Auch das könnte bei einem Landesparteitag passieren, bei dem man sich zeitweise in zwei Versammlungen teilt.


Schlußbemerkung


Es kann gut sein, dass Piraten einzelne Sitze in Regionalräten bekommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir im Ruhrparlament und in den Landschaftsversammlungen vertreten sein werden - wenn der Landesvorstand und der Landesverband seine Hausaufgaben unter Beachtung aller Formalien sorgfältig macht.




Fragen dazu? Schreibt sie. Und wer mehr wissen will kontaktiere mich. Ich komme auch gern zu Euren Stammtischen.

Kommunalwahl 2014 in NRW - wie geht's?

Das hier wird kein typischer Blogpost - eher eine Art FAQ. Also eine Erläuterung von Dingen, die für Viele nützlich sein mag.

Es geht drum für Nicht-Experten zu erklären, wie die NRW Kommunalwahl funktioniert. Und um das gleich klarzustellen: Es soll eine Basisinfo sein. Keine Erklärung für jeden ungewöhnlichen Sonderfall. Denn erstmal muss man verstehen, wie die Kommunal grundsätzlich funktioniert eh man sich in diffizile Feinheiten versteigt.

Beispielstadt Dings

 

Wir nehmen die berühmte nordrheinwestfälische Mittelstadt Dings. Sie liegt ganz in der Nähe und dort überlegen ein paar aktive Piraten, ob sie für die Kommunalwahl kandidieren.
Die Kommunalwahl läuft nun anders als andere Wahlen. Darum eine kurze Erklärung dazu - denn das, was anders ist, ist für uns wichtig.

Nur 1 Stimme

 

Wir stellen uns den Rat der Stadt Dings vor. 44 Sitze hat er - der Bürgermeister ist dann Nummer 45. Folglich gibt es in Dings 22 Wahlbezirke (die Zahlen findet ihr hier) . Die Parteien (oder Wählgemeinschaften) können in jedem Wahlbezirk einen Kandidaten aufstellen. Zusätzlich wählt jede Partei eine Reserveliste für das Wahlgebiet - die Stadt Dings also. Soweit alles ganz normal.

Wer da kandidieren darf - wahlberechtigt ist also, ist genau geregelt, man kann das gut im Originaltext nachlesen - hier nämlich: Wer wählbar ist, wer trotzdem nicht darf, wer überhaupt wahlberechtigt ist.

Auf dem Stimmzettel steht aber nur, wer im jeweiligen Wahlbezirk kandidiert. Und nur den kann man wählen. Das sieht dann etwa so aus.
Diese Stimme ist sozusagen Erst- und Zweitstimme zugleich. Der Wähler der Piraten, der im Wahlbezirk Dings-Südstadt die Piraten-Kandidatin wählt, wählt in Wirklichkeit gar nicht diese Kandidatin - denn es haben fast nur CDU und SPD die Chance, einen Wahlbezirk direkt zu gewinnen. Die Stimme geht auf die Reserveliste. In Wahrheit also wählt er die Liste der Piraten. Oder der FDP. Oder - der Grünen....

Nicht überall Direktkandidaten?

 

Nun stellen wir uns vor, die Piraten hätten zwar eine Reserveliste in der Stadt Dings, aber nur in 7 der 22 Wahlbezirke Direktkandidaten. (Das ist übrigens ziemlich genau das, was bei der letzten Kommunalwahl Piraten in Aachen und Münster, aber auch in Osnabrück und anderswo fatalerweise gemacht haben...)

Überall da in Dings, wo Piraten kandieren, würde es dann vielleicht ein Super-Erfolg: 6 % in jedem der 7 Wahlbezirke. Tolle Stimmung bei der Wahlparty - aber: 0 Sitze !

Warum das? Nun - in 7 Wahlbezirken 6%. Und in 15 Wahlbezirken 0%. Denn überall dort, wo es keinen Direktkandidaten gibt, kann man die Partei schlicht nicht wählen. Steht nicht auf dem Stimmzettel. Aus den 6% werden so stadtweit knappe 2%. Und um bei 44 Sitzen wenigstens einen zu kriegen braucht es rund 2,3%.

In Aachen gäbe es 3 Piraten im Rat und damit eine Fraktion mit Büro, Antragsrechten, Ausschusssitzen - wenn 2009 in allen Bezirken Kandidaten aufgestellt worden wären. So wurde es nur 1 Pirat. Fraktionslos, ohne wesentliche Rechte. Ähnlich in Münster. Und in Osnabrück. Und und... - Ein Fehler, den wir vermeiden sollten. Das zu vermeiden ist diesmal einfacher, denn wir müssen keine Unterstützungsunterschriften mehr sammeln (das steht hier).

Wir haben aber keine 15 Leute in Dings!

 

Grüne, Linke, FDP, Freie Wähler - sie haben alle dasselbe Problem. Nicht genug aktive Mitglieder um in allen Wahlbezirken Kandidaten aufstellen. Und sie lösen das alle auf dieselbe Art: Der Ehepartner. Die 20jährige Tochter. Der Nachbar, der eh mit der Partei sympathisiert. Der Vater des Listenkandidaten. Der Typ aus dem Verein, der zwar nicht aktiv werden will aber die Partei im Rat sehn will. Im Grunde ersetzt das Suchen vertrauenswürdiger Wahlbezirkskandidaten die Sammlung von Unterschriften.

Was die Piraten in Dings also personell brauchen, um erfolgversprechend kandidieren zu können: 4 - 5 Leute, die vorn auf der Liste stehen und je nach Prozenten in den Rat einziehen könnten. Und 22 Leute, die in den Wahlbezirken kandidieren. Meinetwegen die 5 von der Liste, die 4 anderen Mitglieder und 13 vertrauenswürdige Unterstützen.

Die Direktkandidaten - das sei nochmal gesagt - kommen eh nicht in den Rat. Wir sollten sie kennen. Und sie sollten Nachbarn, Kollegen, Freunden sagen können warum sie was dafür tun, dass die Piraten in Dings in den Rat kommen. Das ist schon mal der wirkungsvollste Einstieg in den Kommunalwahllkampf!

Jetzt gehts auch noch um den Kreistag!

 

Dings gehört zum Rheinwestfalen-Kreis. Und die Piraten im Kreis wollen auch für den Kreistag kandidieren. Nun - das ist einfach zu erklären. Es funktioniert genauso. Nur sind die Zahlen anders - hier findet Ihr sie.

Heh - ich wohne nicht in Dings sondern in einer kreisfreien Stadt!

 

Auch da gibt es zwei Wahlen: Der Rat der kreisfreien Stadt wird ganz genauso gewählt wie in Dings.

Für die Bezirksvertretungen wird es etwas einfacher für Piraten: Es gibt da keine Direktkandidaten, nur eine Liste. Der Stimmzettel sieht etwa so aus.


Ich hoffe, diese einfache Erläuterung hilft für den Start Eurer Diskussion weiter. Fragt wenn ihr Fragen habt. Oder ladet mich zu Eurem Stammtisch ein.